Ein kleiner Exkurs:
Kann Entwicklungsdokumentation Spaß machen?
Kann Entwicklungs-dokumentation Spaß machen?
Was wäre, wenn man bei der Entwicklungsdokumentation dieses negative Gefühl des enormen Zeitaufwands und bürokratischen Prozesses in ein positives Gefühl umwandeln könnte? Könnte man dann sogar Spaß an der Entwicklungsdokumentation haben?
Ich glaube nicht nur ja – ich weiß es!
Beginnen wir mit dem Wort Spaß. Der Wortherkunft nach kommt Spaß vom italienischen spasso, was Zeitvertreib und Vergnügen bedeutet.
Entwicklungsdokumentation = Zeitaufwand = Spaß?
So ganz scheint diese Gleichung nicht aufzugehen. Zwar nimmt die Entwicklungsdokumentation einen großen zeitlichen Rahmen ein, aber ich wage zu behaupten, dass mir viele pädagogische Fachkräfte vehement widersprechen würden, wenn ich sage, dass eben dieser „Zeitvertreib“ den Spaß ausmacht. Daher nehme ich lieber das Vergnügen in den Fokus.
Mir persönlich bereitet etwas Vergnügen, wenn…
- ich am direkten Handeln Freude empfinde,
- ich die Freude anderer steigern kann,
- ich etwas produziere, dessen Sinn ich erkenne,
- ich stolz auf meine Arbeit bin und
- es meine Zukunft positiv beeinflusst.
Was bedeutet das nun übertragen auf meine Arbeit der Entwicklungsdokumentation?
1. Freude am direkten Handeln empfinden
Mir macht es Spaß, Kinder zu sehen, die mit Freude und Eifer dabei sind, neue Dinge zu erlernen und sich an den kleinsten Kleinigkeiten erfreuen können. Und gerade diese Beobachtungen bilden die Grundlage der Entwicklungsdokumentation.
Es geht nicht einfach darum, einen Bogen nach einem Schema abzuhaken, sondern die Individualität des Kindes wahrzunehmen. Das wahrzunehmen, was das Kind besonders macht.
Darum ist es wichtig, dass den alltäglichen Handlungen der Kinder gezielt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das ist möglich, wenn man sich beispielsweise „Beobachtungszeit“ nimmt. Ein Zeitfenster, in dem man nichts anderes macht, als konzentriert das Handeln eines Kindes zu beobachten.
Selbstverständlich ist hierfür eine gute Kommunikation mit dem Team nötig, aber auch mit den Kindern, damit man diese Beobachtungszeit möglichst gut wahrnehmen kann.
Und es zahlt sich in mehrerlei Hinsicht aus, wenn man sich diesen Zeitraum bewusst nehmen kann. Außer Frage führt dies zu einer deutlich besseren Fokussierung auf das Kind. Die eigenen Beobachtungen werden präziser und damit auch wertvoller. Handlungen und Aussagen des Kindes können nun besser eingeordnet werden. Vielleicht ergeben diese genau jetzt einen Sinn.
Und wenn wir ehrlich zu uns sind: Es macht uns allen große Freude, wenn etwas plötzlich Sinn ergibt!
Zum anderen bleibt dadurch auch Raum, die Beobachtungen direkt festzuhalten – sei es als schriftliche Notizen aber auch in Form von Fotos, Video- und Tonaufnahmen. Das Gedankliche gleich verarbeiten zu können, ohne dass in der Zwischenzeit etwas verloren geht. Ein sehr befriedigender Gedanke, dass man seine Arbeit ordentlich, lückenlos und nachvollziehbar in Ruhe festhalten kann.
Wenn man es dann im pädagogischen Alltag regelmäßig schafft, bewusst zu beobachten, ist die erste Hürde genommen.
Denn: es macht absolut viel Spaß, sich von den Kindern überraschen zu lassen, deren Handlungen aufzunehmen und sich auch an den kleinen Besonderheiten zu erfreuen.
2. Die Freude Anderer steigern
Nicht nur die eigene Freude ist wichtig. Durch Entwicklungsdokumentation kann sogar die Freude der Kinder gesteigert werden. Wie schön ist, wenn Kinder durch das eigene pädagogische Handeln Freude empfinden!
Wichtig dafür ist, dass die Kinder dazu in den Prozess der Dokumentation eingebunden werden. Die Kinder dazu zu motivieren ist dabei keine große Herausforderung, denn jeder neue Entwicklungsschritt ist für sie ein Erfolgserlebnis. Sie freuen sich, wenn dieser die entsprechende Aufmerksamkeit bekommt. Kinder wollen lernen, Kinder wollen wachsen.
„Schau mal, das hab´ ich gemalt! Guck mal, wie ich hüpfen kann! Komm mal, ich zeig´ dir, was ich gebaut hab´!“
Die Kinder sind in diesen Momenten stolz auf ihre Leistungen und suchen die Bestätigung anderer Personen. Zum einen, um in ihrer Leistung bestärkt zu werden, zum anderen aber auch einfach, um die eigene Freude zu teilen. Zieht man als Beispiel nun wieder eine freie Dokumentationsmethode, wie die Portfolioarbeit, heran, so kann man eben solche Momente auch festhalten.
Ich signalisiere dem Kind: Deine Handlungen, Ideen und Interessen sind so bedeutsam, dass ich sie schriftlich, bildlich oder tonal festhalte! Dadurch kann ich die Freude des Kindes noch weiter steigern.
Ebenso lässt sich die Freude der Familien der Kinder steigern, wenn sie Einblick in den Kita-Alltag, besondere Momente und Entwicklungsschritte des Kindes erhalten. So kann das Teilen der Entwicklungsdokumentation die Beziehung zwischen Familie und Fachkräften steigern und gute, freudvolle Momente schaffen.
3. Den Sinn an der Tätigkeit erkennen
Zunächst einmal muss ich mir als pädagogische Fachkraft klar darüber sein, warum die Entwicklungsdokumentation wichtig ist. Warum beobachte und warum dokumentiere ich?
Und diese Frage ist nicht immer so leicht zu beantworten. Denn die Antwort sollte nicht sein: „Das ist Vorschrift, darum mache ich das.“ Antworten könnten sein:
„Um die Kinder individuell begleiten zu können.“, „Um Förder- und Forderbedarfe aufzudecken.“, „Um eine Grundlage für die Zusammenarbeit mit den Familien zu haben.“, „Um das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken.“, …
Ist das Ziel einer Beobachtung und deren Dokumentation klar, so erscheint mir diese nicht mehr als sinnlose Mehrarbeit, sondern ich habe das befriedigende Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Diese Erkenntnis allein ruft in mir schon ein positives, euphorisierendes Gefühl aus.
Meine Arbeit trägt zu einer guten Entwicklung des Kindes bei!
Ich bin aktiv daran beteiligt, dass jedes einzelne Kind Wertschätzung erfährt und in seinen Fähigkeiten gestärkt wird. Ich bin für einen Zeitraum der Wegbegleiter:in des Kindes. Ich ebne seinen Weg für eine gute Zukunft.
4. Etwas produzieren, das mich zufrieden stellt
Das Ziel meiner pädagogischen Arbeit ist es, jedem Kind die bestmöglichen Entwicklungschancen zu bieten. Doch wie kann ich überprüfen, ob meine Arbeit erfolgreich ist, ob meine Absichten Früchte tragen?
Durch Dokumentation! Diese ermöglicht mir, auch über viele Wochen und Monate hinweg, den Entwicklungsverlauf nachzuverfolgen. Ich kann sehen, wie meine Impulse bei einem Kind neue Entwicklungsschritte angestoßen haben. Ich kann sehen, wie diese bei einem Kind auf Interesse gestoßen sind. Und ich kann sehen, wie der Rahmen, den ich den Kindern bereitstelle, ihnen jeden Tag den notwendigen Rückhalt zum Ausprobieren neuer Dinge gibt.
Die Reflexion meiner Handlungen, die durch die Dokumentation ermöglicht wird, bietet mir Sicherheit. Ebenso ist der kontinuierliche Austausch mit den Kolleg:innen für die Reflexion der eigenen Handlungen bedeutsam. So kann es auch gelingen, die eigene Perspektive stetig zu erweitern und sich pädagogisch weiterzuentwickeln. Wenn ich offen für die Impulse anderer Menschen bin, dann laufe ich nicht Gefahr, mich in einem System festzufahren, das möglicherweise gar nicht mehr zu meiner gegenwärtigen Situation passt.
5. Die Zukunft positiv beeinflussen
Mit jeder Beobachtung, jeder Entwicklungsdokumentation und Ableitung von Impulsen wächst das eigene Erfahrungswissen. Die eigene Expertise entwickelt sich weiter und die Gespräche mit den Kolleg:innen, Kindern und Familien gewinnen an Qualität. Der fachliche Blick wird immer geschärfter.
Diese Eigenschaften helfen mir auch außerhalb meiner Funktion als pädagogische Fachkraft. Sie begleiten mich in meinem Alltag und wirken sich positiv auf meine Zukunft aus.
Mehr zum Thema finden Sie auch in meinen Veröffentlichungen
Lepold, M.; Lill, T., Tuffentsammer, M. (2021):
Digitale Dokumentation in der Kita.
in: Botzum, E.; Urlen, M. (2021): Betreuung von Kleinstkindern. Qualität von Anfang an in Krippe, Kindergarten und Kita. 33. Lieferung: Die digitale Kita. Carl Link Verlang.
Lepold, M. & Lill, T. (2017):
Dialogisches Portfolio – Alltagsintegrierte Entwicklungsdokumentation.
Freiburg: Verlag Herder
Lepold, M.; Lill, T.; Püttmann, C.:
Bildungs- und Lernabenteuer. Alltagsintegrierte Zugänge zur Beobachtung von Vorschulkindern.
Verlag Herder (2019)
In Ihrer Kita wird die Dokumentation immer noch als Zeitfresser gesehen? Sie möchten das gerne ändern?
Dann sprechen Sie mich gerne an!